Früher war DA ein Zisterzienserinnenkloster
Lebendige Geschichte erleben: Das Kloster Gravenhorst im Kreis Steinfurt
Unsere Vorstellung vom Klosterleben ist von Romanen und Filmen wie »Der Name der Rose« geformt. Als Mischung aus Neugier, Unverständnis und Projektion wird sie in Gang gehalten von kulturell abgelagerten Zerrbildern über unkeuschen Lebenswandel hinter Klostermauern, geheimen Machenschaften, Machtmissbrauch und Prunksucht – Zuschreibungen, die vor allem mit der Aufklärung ab dem 17. Jahrhundert, einer Abkehr von christlich-mittelalterlichen Vorstellungen und der Vorbereitung der Moderne dienten.
Den Einen mag Klosterleben heute als eine Art Gefängnis vorkommen – die Interpretation von Klöstern als »Versorgungseinrichtung für unverheiratete Frauen«, die noch immer weit verbreitet ist, bestimmt diese eher mitleidige Haltung zur klösterlichen Lebensweise. Den Anderen – sie denken an die vielfältigen Aktivitäten Hildegard von Bingens – erscheint diese Lebensform als spirituelle Alternative angesichts der Zerrissenheit heutiger Zeit.
Die fulminante Rekonstruktion der Klosteranlage Gravenhorst zieht das Publikum heute nicht mehr nur als atmosphärisch dichtes Ausstellungsforum für Zeitgenössische Kunst in seinen Bann. Sie macht auch neugierig, mehr über die Geschichte des Ortes zu wissen, der uns in seiner architektonischen Gestalt über ferne Zeiten zu berichten scheint. Die vordergründige Geschlossenheit des Monuments darf nicht darüber hinweg täuschen, dass wir es dabei mit einer Spanne von über 750 Jahren zu tun haben, in denen alle großen gesellschaftlichen Transformationsprozesse der Region ihre Spuren hinterlassen haben. Das gemeinschaftliche Ordensleben der Zisterzienserinnen umfasste dabei 555 Jahre.
Zwischen Himmel und Erde, Spiritualität und Pragmatismus
Das Leben der Klosterschwestern
Die nahezu vollständig erhaltene Klosteranlage vermittelt uns nicht nur ein Bild vom Kloster als spirituellen Ort, sondern zeigt sehr anschaulich das Kloster als Wirtschaftseinheit. Es liegt inmitten von Wäldern und Wiesen, die Pacht – Naturalien und Geld – einbrachten. Der Bachlauf versorgte das Kloster mit frischem Wasser, trieb eine Mühle an und speiste den Fischteich, der zur Ernährung der Klosterschwestern besonders wichtig war, da ihnen als Zisterzienserinnen der Genuss von Fleisch verboten war. Brote und Bier aus dem Back- und Brauhaus rundeten den Speisezettel ab. Zur Klosterwirtschaft gehörten ebenfalls Stallungen und eine Schmiede.
Mit der Gründung einer überkonfessionellen Schule Mitte des 18. Jh. griffen die Klosterschwestern weitsichtig Bildungsbestrebungen des Fürstbistums und des benachbarten Preußens auf. Sie waren schon damals bereit für Westfalens Aufbruch in die Moderne.
Das Wirken der Zisterzienserinnen zwischen Himmel und Erde, zwischen Spiritualität und Pragmatismus prägt den Ort bis heute: So blieb die weltliche Nutzung der Klosteranlage als Steinbruch, Zuckerrübenfabrik, Dampfmaschinenwerkstatt, Jagdschloss eines Konsuls, Zwangsarbeiter- und Kriegsgefangenenlager, als Wohnort für Flüchtlinge und Vertriebene merkwürdig provisorisch. Erst mit der heutigen Nutzung als besonderer Kunstort weist das DA, Kunsthaus Kloster Gravenhorst auf die spirituellen Wurzeln des Ortes zurück. Denn Kunst wie Religion erweitern unsere Wahrnehmung, unser Bewusstsein und unsere Vorstellung von Welt und Wahrhaftigkeit.